Dortmund/Berlin – Wer im Internet surft, muss mit dem Arm die Maus bewegen können. Wer dort Videos anschaut, muss sehen und hören können. Und wer Texte liest, muss sie verstehen können. Klingt banal, ist es aber nicht.

Denn für Menschen mit Behinderung sind solche scheinbaren Selbstverständlichkeiten oft unüberwindbare Hürden. Um das Internet und andere wichtige Teile des Alltagslebens auch für sie zugänglich zu machen, gibt es das Konzept der Barrierefreiheit – und Spezialisten, die sich darum kümmern.

Einer dieser Spezialisten ist Jan Hellbusch, Webdesigner und Berater aus Dortmund. Er sorgt dafür, dass Webseiten für Menschen mit verschiedenen Behinderungen nutzbar sind: «Sehbehinderte haben zum Beispiel bestimmte Anforderungen an Farben und Kontraste», nennt er ein Beispiel. Wichtig ist je nach Behinderung des Nutzers außerdem, dass sich Internetangebote gut per Tastatur bedienen lassen, Videos Untertitel haben oder Webseiten mit Screenreadern zusammenarbeiten. Das sind kleine Programme, die blinden Nutzern Texte vorlesen.

Auf Webseiten öffentlich finanzierter Institutionen wie Behörden oder Ministerien ist Barrierefreiheit Pflicht, zu finden ist sie aber auch anderswo. «Die großen amerikanischen Anbieter wie Google oder Facebook sind schon lange ziemlich barrierefrei», sagt Hellbusch. «Und hier in Deutschland haben sich manche Banken zum Beispiel schon vor Jahren damit befasst.» Gerade hierzulande ist trotzdem aber noch längst nicht jede Webseite oder jedes Informationsangebot barrierefrei.

Viel zu tun also – und damit eine Chance für Arbeitnehmer? «Wer über die erforderlichen Qualifikationen verfügt, hebt sich von anderen Bewerberinnen auf dem Arbeitsmarkt ab», sagt Jutta Croll, Vorsitzende der Stiftung Digitale Chancen. «Das gilt nicht nur für Programmierer und Anwendungsentwickler, denn Barrierefreiheit betrifft neben den technischen Aspekten digitaler Kommunikation auch die Inhalte.»

Die entsprechenden Qualifikationen zu bekommen, ist oft aber gar nicht so leicht. Bei der Ausbildung zum Webdesigner, also zum Mediengestalter Digital, spielt das Thema laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zum Beispiel keine Rolle. Für Gebärdensprachdolmetscher gibt es dagegen spezielle Studiengänge, und in anderen Bereichen ist das Thema Barrierefreiheit schon fester Teil der regulären Ausbildung – zum Beispiel, wenn es um barrierefreies Bauen geht.

«Die Grundlagen werden an der Uni bei den Architekten definitiv gelehrt, das ist fester Studienbestandteil», sagt Barbara Schlesinger von der Bundesarchitektenkammer. Dabei geht es längst nicht nur um Rollstuhlrampen, sondern zum Beispiel auch um Treppenmarkierungen für Menschen mit Sehbehinderung. Und selbst für Demenzkranke könnte es künftig angepasste Bauformen geben, die ihnen den Alltag erleichtern.

Wenn es hier neue Entwicklungen gibt, lernen Architekten das auf entsprechenden Seminaren oder Lehrgängen, sagt Schlesinger. «Das Interesse daran ist definitiv groß, und in den letzten Jahren ist es noch stärker geworden.»

Geht es um Barrierefreiheit in der Kommunikation, ist das Interesse noch nicht ganz so groß. «Wer sich mit Barrierefreiheit befasst, bezieht seine Motivation oft aus eigener oder indirekter Betroffenheit», sagt Jutta Croll. Viele Spezialisten haben also selbst eine Behinderung oder kommen über Verwandte und Bekannte mit dem Thema in Berührung. Die Expertin kann sich aber vorstellen, dass der Bedarf nach Spezialisten für Barrierefreiheit in Zukunft steigt, auch als eigenes Berufsbild.

Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert,Ina Fassbender,Franziska Gabbert
(dpa/tmn)

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