Berlin – Witze darüber gibt’s genug. Wie den hier: «Lieber acht Stunden Büro als gar keinen Schlaf.» Schlafen, das hat keinen guten Ruf, und selbst das kleinste Nickerchen ist an den meisten Arbeitsplätzen tabu. Dabei meinen Schlafmediziner: Wir sollten uns viel häufiger mal zu den Akten legen.

Büroschlaf steigere die Leistung. Erste US-Konzerne haben es begriffen und fördern das Dösen am Arbeitsplatz. Doch hierzulande passiert wenig. Warum eigentlich?

Beim Schlafen neue Kraft schöpfen

Ingo Fietze leitet das
schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charité. Er meint: «Dass Schlaf ein Leistungsreservoir ist, dass Schlaf besser ist als die zehnte Tasse Kaffee, das spricht sich nur sehr langsam rum.» Nach dem Gang in die Kantine entscheiden sich die meisten Beschäftigten für den langen Kampf gegen das «Suppenkoma» und gegen ein kurzes Nickerchen.

Ärzte warnen: Auf Dauer kann keiner gegen seine innere Uhr leben. Schlafstörungen führten zu Hunderttausenden von Krankmeldungen, so verliere die deutsche Volkswirtschaft pro Jahr 60 Milliarden Euro. Das rechnete die US-Denkfabrik Rand Corporation für 2016 aus.

Professor Fietze ist sicher: Mittagsschläfchen bei der Arbeit könnten die Summe drücken. «Denn wenn der Mitarbeiter müde ist, gibt es eher Fehler und auch Unfälle am Arbeitsplatz.» Ein «Power Nap» – so heißt das Nickerchen jetzt – steigere die Leistungsfähigkeit um bis zu 40 Prozent, meinen andere Forscher, die die Rückkehr zum Mittagsschlaf fordern. Fietze betont: «Wer hart arbeitet, muss auch schlafen.» Noch immer brüsteten sich Manager damit, dass sie mit wenigen Stunden Schlaf auskämen. «Snoozing is losing» – wer schlummert, verliert.

Wo Schlafen zum Arbeiten dazu gehört

Nur wenige bekennen sich zum ausgiebigen Schlaf und seinen Vorzügen: Amazon-Gründer Jeff Bezos etwa, laut Forbes-Magazin der reichste Mann der Welt. Er rühmt seinen allnächtlichen «acht Stunden Premium-Schlaf». Tesla-Chef Elon Musk klagt derweil, dass er manchmal nur mit Schlaftabletten Ruhe finde.

In der Google-Zentrale stehen Liegesessel bereit, in denen Mitarbeiter unter einer Kugelhaube dösen. Nike hält in Portland Schlafräume vor, ebenso Uber in San Francisco. Die Unternehmerin Ariana Huffington wirbt für das Erfolgsrezept Schlaf – in den USA ist von einem Kulturwandel die Rede.

Und in Deutschland?

Unternehmen zu finden, die den Schlaf der Mitarbeiter aktiv fördern, ist die Nadel-Suche im Heuhaufen. Einfache Ruheräume gibt es zwar meistens – denn schwangere und stillende Kolleginnen haben darauf einen Anspruch.

Aber nur selten zählt Schlaf zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, wie etwa im Bosch-Entwicklungszentrum in Abstatt bei Heilbronn. Mit Kopfhörern können Mitarbeiter auf sogenannten Klangliegen dösen. Bei BASF gibt es mehrmals im Jahr «Powernapping»-Kurse am Arbeitsplatz. «Insbesondere Schichtmitarbeiter berichten über eine erfrischende Wirkung der Naps», sagt eine Sprecherin.

Skeptische Unternehmen

Jede dritte Frau und jeder vierte Mann möchte nach einer Umfrage der Techniker-Krankenkasse Mittagschlaf halten, doch die Unternehmen sind skeptisch. «Das Thema ist nicht abschließend untersucht», heißt des bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. «Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass ein Mittagsschlaf die Arbeitsfähigkeit oder das Wohlbefinden fördert.»

Es komme auf viele weitere Faktoren an, etwa wann man schläft und wie lange man schon wach sei. «Es kann sich auch ein Unfallrisiko ergeben, wenn man nach einem Mittagsschlaf nicht richtig wach wird», warnen die Arbeitgeber. Sie betonten aber auch: Jeder Arbeitnehmer kann seine Ruhepause gestalten wie er will. «Wenn er in der Zeit ein Nickerchen machen will, ist er darin frei.»

Als die Stadt Vechta vor Jahren ihren Bediensteten ein Mittagsschläfchen genehmigte, lief der Beamtenbund Sturm gegen diese «politische Instinktlosigkeit». Schlaf habe einen schlechten Ruf, meint Charité-Professor Fietze. «Wer schläft ist ein Faulenzer.» Das sei ein speziell deutsches Vorurteil. «In Asien schläft jeder überall und keiner regt sich darüber auf.»

Wieviel Schlaf braucht der Mensch?

Sechs Stunden, 49 Minuten und 48 Sekunden schlafen Arbeitnehmer durchschnittlich, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» ermittelten. Wie viel Schlaf jeder braucht, liegt in den Genen und ist unterschiedlich. Viele Forscher aber sehen die Deutschen als übermüdete Gesellschaft.

Wann werden Arbeitnehmer müde? Am ehesten zwischen 12 und 14 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr, sagt Charité-Arzt Fietze. Arbeitnehmer trauen sich aber oft nicht, sich vor ihren Kollegen in das Land der Träume zu begeben. Dabei ist das absolut sinnvoll.

Wie gelingt der Büro-Schlaf zwischendurch?

Richtig Nappen will gelernt sein. Fietze rät: direkt am Schreibtisch wegdösen. «Je unbequemer, desto besser.» Dann wache man nach einer Viertelstunde wieder auf und versinke nicht im Tiefschlaf. Auch Utz Niklas Walter vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) in Konstanz empfiehlt Büroangestellten ein maximal 15-minütiges Schläfchen – ab dem Zeitpunkt des Einschlafens. Schichtarbeiter und Freiberufler, sofern sie denn Zeit haben, können auch die ausgedehnte Variante von mindestens zwei Stunden wählen.

Alles dazwischen kann allerdings aufgrund des möglichen Erwachens aus der Tiefschlafphase für einen kontraproduktiven Effekt sorgen. Schlafen ergibt besonders zwischen 13.00 und 16.00 Uhr Sinn, denn dann haben die meisten Menschen ein im Biorhythmus begründetes Mittagstief.

Arbeitnehmer sollten die Dauer abschätzen, die sie zum Einschlafen brauchen, maximal 15 Minuten hinzurechnen und auf diese Zeit einen Wecker stellen. Schlafen kann man im Sitzen oder im Liegen, sagt Walter. Hauptsache die Haltung ist bequem und das Licht in der Umgebung nicht zu grell.

Fotocredits: Monique Wüstenhagen
(dpa)

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