Hannover – «Die Polizei Berlin ändert ihren Umgang mit Tätowierungen!», heißt es fettgedruckt im Bewerbungs-Aufruf der Hauptstadt-Polizei. Tattoos dürfen anders als bisher auch auf den Unterarmen zu sehen sein – ausgenommen sind extremistische, sexistische, gewaltverherrlichende und religiöse Motive.

Auch andere Länder lockern ihre Vorschriften: Baden-Württemberg etwa erlaubt seit 2017 «dezente» Tattoos. Hintergrund sind zumindest in Berlin wohl auch die zunehmenden Schwierigkeiten, geeigneten Nachwuchs für den Dienst zu finden. Zudem ist nach einer Studie der Universität Leipzig mittlerweile jeder fünfte Deutsche tätowiert.

«Es ist gesellschaftsfähig geworden, bei den Fußballern fällt es besonders ins Auge», sagt der Autor der Studie, Elmar Brähler. «Früher war es Ausdruck einer Randgruppe: Seefahrer, Zuhälter und Strafgefangene trugen Tätowierungen.» Der Medizinpsychologe von der Uni Leipzig sieht aber noch Vorbehalte, gerade bei Älteren. «Eine Bank wird sich noch schwer damit tun, einen Tätowierten oder Gepiercten an den Schalter zu setzen», sagt er.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt dagegen eine neue Studie der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz. Deren Fazit lautet: Wenn ein Polizist sichtbar tätowiert oder gepierct ist, sinken Respekt und Vertrauen der Bürger. Zugleich steige das Einsatzrisiko des Beamten, weil sich manche Bürger eher widersetzen könnten. Befragt wurden 241 zufällig ausgewählte Bürger von 13 bis 81 Jahren.

Enrico Burtz aus Hannover hat sich sein erstes Tattoo gleich nach seinem 18. Geburtstag stechen lassen. Da dachte er noch gar nicht daran, sich bei der Polizei zu bewerben. Das Tribal-Motiv am Oberarm wird jedoch selbst von der Kurzarm-Uniform bedeckt. Weitere Tattoos am Rücken, Fußgelenk sowie auf der Brust folgten. Dass er als Polizist in Niedersachsen keine sichtbaren Tätowierungen tragen darf, stört ihn nicht. «Für mich ist der Körperschmuck Ausdruck meiner Individualität. Die geht bis dahin, wo die Uniform beginnt», sagt der 36-Jährige.

«Es wäre gut, wenn es gesetzlich geregelt wird», sagt Andreas Fengler, der im August 2014 nach mehr als 20 Jahren den sicheren Job bei der Polizei aufgab, um seiner Leidenschaft nachzugehen und nur noch als Tätowierer zu arbeiten. «Ich bin da aber spießiger als man denkt», betont er. Zwar ließ er sich nach der Verbeamtung auf Lebenszeit die Unterarme tätowieren, jedoch bedeckte er die Tattoos auch im heißesten Sommer stets mit einem langärmligen Hemd, wenn er nicht gerade im Nachtdienst auf der Leitstelle saß. «Monster und Totenköpfe passen nicht zur Uniform», sagt Fengler.

Ein Gesetz statt des bisher in Nordrhein-Westfalen geltenden «Körperschmuck-Erlasses» regte auch kürzlich das Verwaltungsgericht Düsseldorf an. Gleichzeitig gab es einem Kommissaranwärter Recht, dass eine großflächige Löwenkopf-Tätowierung kein Ausschlussgrund für den Polizeidienst sei. Der 25-Jährige hatte bereits im Eilverfahren Recht bekommen und wurde inzwischen ins Beamtenverhältnis übernommen – allerdings nur unter Vorbehalt. Das Land NRW geht in Berufung und will vom Oberverwaltungsgericht klären lassen, ob ein neues Gesetz notwendig ist. Es hatte argumentiert, dass die im Sommer sichtbare Tätowierung die Autorität und die Neutralität von Polizisten beeinträchtigt.

Die sogenannte Körperschmuckkommission der Polizei in NRW prüfte 2017 während des Einstellungsverfahrens nach Angaben des zuständigen Landesamtes 473 Tätowierungen, in 36 Fällen schied der Bewerber aus. Auch nicht sichtbare Motive mit diskriminierendem oder gar verfassungsfeindlichem Inhalt sind verboten. 

Von polizeiinternen Kommissionen abgelehnte Bewerber versuchen auch andernorts, sich einzuklagen. So bestätigte das Berliner Arbeitsgericht im April die Ablehnung eines Bewerbers für den Objektschutz der Polizei, dessen Unterarm die Göttin Diana mit nackten Brüsten zeigt.

In Niedersachsen sind generell keine im kurzärmligen Diensthemd sichtbaren Tätowierungen erlaubt. Allerdings könne ein Abweichen davon im Einzelfall vom jeweiligen Vorgesetzten entschieden werden, heißt es in der Antwort der rot-schwarzen Landesregierung auf eine FDP-Anfrage im Landtag. Eine Änderung der Ende des Jahres außer Kraft tretenden Verwaltungsvorschrift werde geprüft.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen rät dazu, vor einer Entscheidung zunächst die mögliche gesetzliche Regelung in NRW abzuwarten. Das Thema habe keine oberste Priorität, sagte GdP-Sprecherin Angela Hübsch. «Uns geht es vielmehr darum, die Attraktivität des Polizeiberufs zu verbessern und für gute Arbeitsbedingungen sowie für notwendige Investitionen und Perspektiven zu sorgen.»

Fotocredits: Holger Hollemann
(dpa)

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