Berlin/Wiesbaden – Wenn der Gehaltscheck mal wieder für Frust statt Freude sorgt, die Kollegen aber Champagnerkorken knallen lassen, kann das ein Indiz für ungerechte Bezahlung sein. Zugegeben, das Szenario ist zugespitzt.

Wer aber weniger verdient als andere in gleichwertigen Positionen oder weniger, als für die geleistete Arbeit gerechtfertigt wäre, fühlt sich schnell ins Abseits gestellt.

Abhilfe schaffen soll das Entgelttransparenzgesetz, das seit Juli 2017 in Kraft ist. «Der Beschäftigte kann von seinem Arbeitgeber Auskunft zu den Kriterien und dem Verfahren der Entgeltfindung für seine oder eine vergleichbare Tätigkeit verlangen. Außerdem können Angaben zur Höhe der durchschnittlichen Bruttovergütung sowie zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangt werden», erklärt Stefan Müller, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Leipzig.

Doch das Gesetz greift längst nicht für jeden und ist lediglich für Arbeitnehmer und Beamte in Betrieben oder Dienststellen mit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeitern anwendbar.

Wer in kleineren Unternehmen tätig ist, kann gegebenenfalls den Kontakt zur Gewerkschaft, dem Betriebs- oder Personalrat suchen und dort bewerten und prüfen lassen, ob tarifgerecht vergütet wird. Wem all diese Anlaufstellen nicht zur Verfügung stehen, der muss auf eigene Faust für eine gerechtere Bezahlung kämpfen.

Mit der richtigen Haltung ins Gespräch gehen

Doch was kann der Einzelne tun? Eine Frage, die Henrike von Platen, Gründerin des Fair Pay Innovation Lab, nervt: «Es ist immer die einzelne Person, die klagen und beweisen muss, dass ungerecht bezahlt wird. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wie schaffen wir es, die Strukturen so zu verändern, dass die Unternehmen gerecht bezahlen und alle sich darauf verlassen können?

Das Grunddilemma sei der Makel, der einem anhafte, wenn man die eigene Bezahlung in Frage stellt. «In dem Moment, in dem ich den Verdacht äußere, schlecht bezahlt zu werden, mache ich mich sofort selbst verdächtig, ob als ewig Unzufriedener oder misstrauische Nörgeltante», so von Platen.

Statt sich in diese Passivität zu begeben, sollten Arbeitnehmer darauf achten, ihre Haltung zu verändern und zu sagen: «Lieber Arbeitgeber, liebe Arbeitgeberin, dein Job ist, mich für meinen Job fair zu bezahlen. Wenn mein Unternehmen dieser Aufgabe nicht nachkommt, arbeite ich nicht bei dir», rät von Platen.

Dass das nicht immer geht, weiß die Expertin. Ist man bereits in einem Arbeitsverhältnis, bei dem die Bezahlung nicht stimmig zu sein scheint, empfiehlt sie deshalb: «Sich nicht zu beschweren, dass man weniger bekommt als andere, sondern sich erklären zu lassen, warum man so viel hat, wie man hat.»

Was gibt es für ein Entgeltsystem? Mit welcher Systematik werden Stellen berechnet? Das können dann zielführende Fragen sein. «Man sollte das Gegenüber nicht mit dem Vorwurf konfrontieren, unfair zu bezahlen, sondern sich erklären lassen, wie das eigene Gehalt zustande kommt.»

Schweigeklauseln im Vertrag meist nicht gültig

Ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber empfiehlt auch Yvonne Skowronek vom Verein «BerufsWege für Frauen». Unerlässlich dabei: eine Vorab-Recherche. «Man sollte sich vorab selbstkritisch fragen, warum man wohl weniger Geld bekommt als die Kollegen. Ich würde vorschlagen zu recherchieren, um sicher zu gehen, dass es sich nicht nur um ein Gefühl handelt. Man kann auf Gehaltsvergleichsportalen wie
Lohnspiegel.de nachschauen, mit Externen reden, die in einem ähnlichen Tätigkeitsfeld arbeiten oder das Gespräch mit den Kollegen suchen.»

Denn die alte Weisheit «Über Geld spricht man nicht» hat längst ausgedient, findet auch Henrike von Platen. «Wir dürfen über Geld reden, das ist erlaubt», sagt sie und erklärt, dass die uralte Vertragsklausel über eine Gehaltsverschwiegenheit meist gar nicht rechtsgültig ist. «Erst wenn ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen über Gehälter austausche und das Thema Geld offen und transparent anspreche, erfahre ich auch mehr und kann mich besser vergleichen», sagt die Expertin.

Fotocredits: Robert Günther
(dpa/tmn)

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