Berlin/Köln – «Mach, was wirklich zählt!»: Mit solchen Sprüchen macht die Bundeswehr seit einiger Zeit auf Berufsmöglichkeiten bei Heer, Marine und Luftwaffe aufmerksam.

Seit der Abschaffung der Wehrpflicht kommt der Nachwuchs schließlich nicht mehr automatisch. Die Bundeswehr muss nun wie jeder andere Arbeitgeber um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werben.

Ist die
Bundeswehr also ein ganz normaler Arbeitgeber? Zumindest arbeiten dort neben Soldatinnen und Soldaten – derzeit rund 170 000 in In- und Ausland – auch etwa 88 000 zivile Angestellte. Sie sind vor allem in der sogenannten Wehrtechnik und in der Verwaltung tätig.

Die Ausbildungsmöglichkeiten in Zivil und in Uniform sind vielseitig: Sie reichen vom Fachangestellten für Bäder-Betriebe über den Gärtner bis zum Krankenpfleger, wie die Onlineseite der Bundeswehr zeigt. Besonders häufig vertreten sind technische Berufe wie Anlagen- oder Industriemechaniker, Mechatroniker oder Elektroniker.

Die Werbekampagne stellt Jobs der Informationstechnik in den Mittelpunkt: «Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt» – zum Beispiel von sogenannten IT-Soldaten oder zivilen IT-Systemelektronikern. Hacken für die Landesverteidigung? Im Prinzip schon. «Die Bundeswehr braucht Hacker beziehungsweise IT-Spezialisten, um sich in der Cyber-Domäne richtig aufzustellen», sagt Sven Herpig von der Stiftung Neue Verantwortung, Think Tank für die Gesellschaft im technologischen Wandel. Direkter formuliert: Kriege könnten künftig auch in Datennetzen stattfinden.

Ganz neu ist das für die Bundeswehr nicht. «Die defensiven Kapazitäten dafür hatte die Bundeswehr schon immer», sagt Herpig. Ein Hubschrauber oder eine Fregatte etwa bestehen heute aus vielen Computer- und Elektroniksystemen. Diese müssen gewartet und geschützt werden. Gerade werden diese Kapazitäten zentral in der Einheit «Cyber- und Informationsraum» (CIR) zusammengeführt. Unter Umständen gehen die defensiven Fähigkeiten über den Schutz eigener Systeme dann hinaus, erklärt Herpig – die Bundeswehr könnte dann im Ernstfall etwa kritische Infrastruktur wie Kraftwerke schützen.

Unklar ist, ob die Bundeswehr dafür zuständig sein wird. Und, ob sie dafür das Personal findet. Der Fachkräftemangel der IT-Branche macht auch hier nicht halt: Rund 1800 zivile und militärische Jobs für IT-Spezialisten sind laut Verteidigungsministerium zurzeit unbesetzt. Bei der Suche nach den besten Fachkräften habe die Bundeswehr viel Konkurrenz, erklärt Herpig: «Ich kann mir gut vorstellen, dass sie da verschiedene Ausbildungs- und Rekrutierungsmodelle ausprobiert.»

Für die zivile Ausbildung können sich Interessenten «bei der Bundeswehr ganz normal bewerben», erklärt ein Sprecher der Bundeswehr in Köln. Formell gebe es keine Unterschiede zur Ausbildungen in der freien Wirtschaft: Der Ablauf – mit Praxisphasen und Berufsschulbesuchen, die Arbeitszeiten, Ausbildungsdauer und auch die Abschlussprüfung sind vergleichbar.

Die Bezahlung richtet sich nach den gängigen Tarifverträgen im öffentlichen Dienst. Genau hier könnte ein Problem bei der Suche nach IT-Spezialisten entstehen, sagt Herpig. Wer einen Bachelor in Informatik hat, bekomme in der freien Wirtschaft vermutlich deutlich lukrativere Angebote. Fürs Geld allein geht also vermutlich niemand zur Bundeswehr. Vielleicht zielt die aktuelle Werbekampagne deshalb auf andere Werte ab – also auf «das, was wirklich zählt».

Für die Werbung gab es Kritik – etwa von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). «Die Werbekampagne der Bundeswehr erweckt den Eindruck, dass es da um ein kameradschaftliches Adventure-Camp geht», sagt Ilka Hoffmann, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule bei der GEW. Andere Aspekte des Berufsfeldes würden ausgeblendet. «Für uns ist die Bundeswehr kein Job wie jeder andere – sondern ein Job, in dem es eben auch um Krieg, Tod und Sterben geht.»

Fotocredits: Decastro,Stephan Ink,Björn Wilke,Tom Twardy,Julian Stratenschulte
(dpa/tmn)

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