Das wird auch Hamburger interessieren, die ins Umland zur Arbeit pendeln: Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft ergab, dass Niedersachsen erheblicher Strukturverlust durch Industrie-Abwanderung droht.

Für jeden Euro in Niedersachsen investiert die Industrie zwei im Ausland

Bei einem Investitionsgipfel in Niedersachen am 4. April wurde Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (57, SPD) eine brisante Studie überreicht. Deren Inhalt: Dem flächenmäßig zweitgrößten deutschen Bundesland droht umfangreiche Verlagerung von Investitionen ins Ausland. Die „Standort- und Strukturanalyse Niedersachsen“, präsentiert von Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), kommt zu dem alarmierenden Ergebnis, dass von Niedersachsens Industrie in den vergangenen 20 Jahren doppelt so viel Geld in den Bau von Fabriken im Ausland investiert wurde als in den Erhalt oder Bau von Produktionsstätten in der Heimat. Bereits ab dem Jahr 2004 hatte es eine größere Welle von Auslandsinvestitionen gegeben. Bereits zu dieser Zeit lagen die Investitionen in Niedersächsische Fabrikationsanlagen unterhalb der Erhaltungsschwelle. Die Wolfsburger Volkswagen AG beispielsweise besitzt in Asien bereits 26 Werke. Die damaligen Auslandsaktivitäten hatten aber auf den deutschen Arbeitsmarkt eher positive Auswirkungen. Es ließ sich sogar ein leichter Anstieg der Beschäftigungszahlen nachweisen, der auf diese Auslandsinvestitionen zurückzuführen war. Aber bei der sich jetzt abzeichnenden zweiten Welle geht es konkret um Verlagerung von Produktionskapazitäten – mit negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsquote.

Traditions-Mittelständler wie Schwarz Cranz sind standorttreu

Die Verlagerung der Fabrikation ins Ausland betrifft vorrangig Großunternehmen. Mittelständler planen aufgrund ihrer spezifischen Unternehmensstrukturen anders. Zum Beispiel das Traditionsunternehmen für Fleisch- und Qualitätswurstwaren Schwarz Cranz vor den Toren Hamburgs: Um ein gleichbleibend hohes Qualitätsniveau zu gewährleisten, sind ein guter Kontakt mit den Zulieferern und vor allem kurze Transportwege von entscheidender Bedeutung. Produzent, Zulieferer und Absatzmarkt profitieren wechselseitig von räumlicher Nähe. Hochmoderne Lebensmittelbetriebe sind daher besonders standorttreu. Die Niedersächsische Landesregierung möchte diese Standortverbundenheit weiter fördern. Es gibt daher eine Bundesratsinitiative, die durch Steuergutschriften die Forschung in kleinen und mittleren Betrieben fordern soll. Davon könnten nach Ansicht der Landesregierung viele profitieren, denn 60 Prozent der Erwerbstätigen Niedersachsens sind im Mittelstand beschäftigt.

400 Unternehmen beteiligten sich an der Studie

Die bisherigen Investitionen im Ausland waren für Niedersachsens Industrie rentabel. Denn laut IW-Umfrage planen 71 Prozent der Unternehmen, die bereits im Ausland tätig sind, ihre Produktionskapazitäten dort zu erweitern. Wegen hoher Lohnkosten und Fachkräftemangel planen hingegen nur 44 Prozent der befragten Unternehmen Investitionen am Heimatstandort. Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands NiedersachsenMetall und Auftraggeber der IW-Studie, forderte auf dem Investitionsgipfel ein „Aufbruchssignal für mehr Investitionen in Deutschland“.